ADFC-Symposium „Darmstadt goes Dutch“
Der ADFC hat am 9. November 2018 im Vorfeld seiner jährlichen Bundeshauptversammlung im Rahmen eines Verbandssymposiums in Darmstadt den Entwurf für eine neue ADFC-Satzung, die Verkehrswende aus Sicht des ADFC und mehr diskutiert.
„Als Gesellschaft haben wir den Wandel die letzten 40 Jahre verschlafen. Wir müssen jetzt endlich Ideen entwickeln, wie die postfossile Stadt aussehen soll“, donnerte Ludger Koopmann, stellvertretender ADFC-Bundesvorsitzender, in der Debatte nach dem inspirierenden Vortrag „Darmstadt goes Dutch“ von Architekt und Stadtplaner Stefan Bendiks.
Das Symposium war gegliedert in einen verbandsinternen Teil, in dem die Idee einer ADFC-Kampagne für 2019 vorgestellt, Erfahrungen ausgetauscht und Fragen zum Satzungsentwurf beantwortet wurden. Für den anschließenden öffentlichen Teil hatte der ADFC Darmstädter Bürgerinnen und Bürger zum Vortrag vom Architekten Bendiks und zu einer anschließenden Debatte mit der Initiative zum Radentscheid Darmstadt, vertreten durch David Grünewald, Stadträtin Dr. Barbara Boczek, Stefan Bendiks und Ludger Koopmann, eingeladen.
Widerstände lassen sich auflösen
Bendiks stellte innovative stadtplanerische Lösungen aus den Niederlanden vor, die dem Radverkehr in Darmstadt als Inspiration dienen könnten. Er zeigte stadtplanerische Projekte wie Radschnellwege, die teils gegen den Widerstand der Anwohnenden durchgesetzt wurden und nach ihrer Umsetzung dennoch eine hohe Akzeptanz erfahren haben, weil sie Verbesserungen auf unterschiedlichen Ebenen brachten und den Verlust von Platz fürs Auto vielfach kompensiert haben. Sei es, weil die Straßen ruhiger geworden sind, weil Parkplätze für Anwohnende entstanden oder weil es plötzlich möglich war, direkt mit dem Rad unter den Bahngleisen zu parken.
Investitionen in den Radverkehr nutzen mehr als sie kosten, so Bendiks, es geht darum zu schauen, wo investiert wird und welche Effekte möglich sind. Statt viele Millionen in eine Autobahn zu stecken, kann es viel effektiver sein, in einen Radschnellweg zu investieren, der die Autobahn entlastet. Entsprechend zitierte er eine Umfrage, die eine besonders hohe Zufriedenheit unter niederländischen Autofahrenden zeigte.
Innovationen und Experimentierfreude sind gefragt
Es können aber auch kleinere Innovationen sein, die Radfahrenden zu Gute kommen, wie Ampeln mit Sensoren, die bei Regen Radfahrenden mehr und längere Grünphasen einräumen. Aber es braucht auch Mut und Experimentierfreude in Politik und Verwaltung, beispielsweise um ein Rund-um-Grün für Radfahrende an Kreuzungen einzurichten. Nach einem tödlichen Lkw-Abbiegeunfall hatte die Stadtverwaltung Groningens die Konsequenzen gezogen, und die Kreuzung umgestaltet – auch auf die Gefahr hin, damit gegen die Vorschriften zu verstoßen. Genau dieser Mut ist auch in Deutschland gefordert.
Die Debatte zeigte, dass noch viele Widerstände zu überwinden sind. Lösungen nach Vorbild der Niederlande einfach mal auszuprobieren, scheitert an Verwaltungsbestimmungen und am weiterhin autozentrierten Denken. Der Radentscheid Darmstadt hat mehr als 11.000 Unterschriften gesammelt – deutlich mehr als benötigt, wurde aber von der Stadt aus formalen Gründen abgelehnt. Dennoch kündigte die Stadt ein Sonderinvestitionsprogramm für den Radverkehr an. Gespräche zwischen der Initiative und der Stadt finden statt und werden teils vom ADFC moderiert.
Wandel nicht verschlafen
Ludger Koopmann machte deutlich, dass eine Verkehrswende nicht ohne schmerzhafte Einschnitte gelingen kann – und diese müssten beim Autoverkehr stattfinden. Es geht um mehr Platz fürs den Radverkehr, weil er die meiste Entlastung für die Städte verspricht.
Mehr Platz fürs Rad ist auch das Motto der Kampagne, die der ADFC 2019, 40 Jahre nach seiner Gründung, starten wird. „Der ADFC hat lange nach der Devise seines Gründers Jan Tebbe agiert und lieber in den Rathäusern für bessere Radverkehrsbedingungen gearbeitet, als vor ihnen demonstriert. Jetzt ist es an der Zeit, mit unseren Ideen an die Öffentlichkeit zu gehen, und den Menschen auf den Straßen zu zeigen, was zu verbessern ist“, so Ludger Koopmann. Es geht dabei nicht um das Fahrrad, sondern um unsere Städte.
Überall ist spürbar, dass Menschen einen Wandel in den Städten wollen und sich nicht länger mit einer autozentrierten Politik in den Verwaltungen zufrieden geben. Diesen Wandel will der ADFC vorantreiben und die Verkehrswende mit dem Fahrrad im Mittelpunkt durchsetzen.