Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. (ADFC)

Person mit Helm fährt ein dreirädriges Lastenrad mit großer Transportbox vor einer bewachsenen Wand.

Mit Schwung in die Kurve: Dank Achsschenkel-Lenkung geht das mit dem Chike E-Cargo. © Chike

Ausprobiert: Lastendreirad, Sättel auf Maß und Winterhandschuhe

Im Praxistest müssen sich ein Lasten-Dreirad mit Achsschenkel-Lenkung, zwei maßgefertigte Sättel aus dem 3D-Drucker und ein paar Winterhandschuhe bewähren.

Ausprobiert: Zwei Sättel auf Maß

Sitzprobleme beim Radfahren sind weit verbreitet. Maßgeschneiderte Sättel versprechen Abhilfe, denn sie sind genau auf die eigene Anatomie zugeschnitten. Möglich machen das 3D-Drucker, die mit den gewünschten Maßen gefüttert werden und dann passgenaue Produkte hervorbringen. 

In den letzten Jahren haben verschiedene Hersteller 3D-gedruckte Sättel präsentiert. Wir haben uns die Produkte von Fingerprint Cycling und Personomic genauer angesehen und sie ausprobiert. 

Maße feststellen

Basis für beide Sättel ist die Vermessung des Gesäßes. Fingerprint Cycling schickt dafür zwei Schaumstoffplatten, auf die sich die Interessenten setzen und so Abdrücke ihrer Sitzknochen und der Anatomie drumherum hinterlassen. Ein Fragebogen zu Körpergröße, Fahrstil und Sitzhaltung gehört ebenfalls dazu. Mit diesen Daten fertigt Fingerprint den Sattel und schickt ihn anschließend zu. 

Einen etwas abgewandelten Ansatz verfolgt Personomic. Hier wird zwar ebenfalls das Gesäß vermessen, der Sattel wird aber nicht komplett auf Maß gefertigt, sondern aus acht verfügbaren Breiten, vier Polsterdicken und vier Härten gewählt. Daraus ergeben sich 32 mögliche Kombinationen. Genau genommen handelt es sich also nicht um einen komplett maßgefertigten Sattel. Da aber die Unterschiede zwischen den einzelnen Varianten so gering sind, geht der Hersteller davon aus, dass kein Unterschied zu einem maßgefertigten Modell spürbar ist. Das erscheint schlüssig. Vorteil der Methode: Die einzelnen Bauteile des Sattels können auf Lager produziert und bei Bestellung direkt zusammengefügt werden – das kürzt den Bestellprozess deutlich ab. Beide Hersteller bieten übrigens Ersatzteile an – sollte der Sattel mal beschädigt werden, muss man ihn dann nicht wegwerfen, sondern kann ihn reparieren. 

 

Sorgfältige Montage nötig

Beide Modelle machen bei der Lieferung einen hochwertigen Eindruck. Die Achillesferse des Konzepts ist die korrekte Einstellung des Sattels. Denn bei falscher Höhe oder Neigung des Sattels nutzt die Maßfertigung nichts und das Sitzen wird früher oder später schmerzhaft. Auch bei Fingerprint und Personomic muss nach der ersten Grobeinstellung noch etwas experimentiert werden, bis es richtig passt. Hat man eine komfortable Einstellung gefunden, kann es sich trotzdem lohnen, weiter zu probieren, den womöglich geht es noch besser als gut. Der Redakteur hatte jedenfalls bei beiden Sätteln einen Aha-Moment, nachdem er bereits zahlreiche Kilometer in einer Einstellung absolviert hatte – leichte Anpassungen machten das Sitzen noch mal angenehmer. 

Was den Sitzkomfort betrifft, lösen beide Modelle ihr Versprechen ein – besser gesessen hat man vorher nicht. Die Polsterung ist jeweils recht dick, aber straff. Das macht sich besonders auf langen Ausfahrten positiv bemerkbar. 

Vorteil der Maßfertigung

Es gibt durchaus Standardsättel, die hervorragend zum eigenen Hinterteil passen – man muss sie nur finden. Nicht selten führt das dazu, dass man mehrere hochwertige Sättel herumliegen hat, von denen keiner den gewünschten Komfort bietet. 

Und das ist der größte Vorteil der maßgefertigten Sättel: Kund:innen können sich sicher sein, dass sie passen und man sie nur richtig einstellen muss, um komfortabel zu sitzen, während man bei anderen Sätteln immer im Zweifel ist, ob das Sattelmodell vielleicht einfach nicht die richtigen Abmessungen hat.

Für die Sättel ist allerdings eine erhebliche Investition nötig – bei Fingerprint derzeit 359 Euro, bei Personomic 299 Euro. Da viele Sitzprobleme erfahrungsgemäß auf eine nicht optimale Einstellung des Sattels zurückzuführen sind, kann es sich also lohnen, sich erst einmal intensiv mit dem bereits vorhandenen Sattel zu beschäftigen und ihn in Höhe, Neigung und horizontaler Position so gut wie möglich auszurichten. Denn diese Zeit muss auch bei dem maßgefertigten Produkt investiert werden. 

Menschen mit besonderen Problemen wie Verletzungen, Behinderungen und ähnlichem können von der Individualisierung besonders profitieren, denn für sie gibt es oft keine idealen Sattelmodelle zu kaufen. 

Der Fingerprint-Sattel wiegt 362 Gramm , der von Personomic (mit Titanstreben) 294 Gramm. Das sind normale Werte für Fahrradsättel. Wem aber besonders geringes Gewicht wichtig ist, wie sportlichen Rennrad- und Mountainbike-Fahrer:innen, wird zwischen den Vorteilen und dem Gewicht abwägen müssen - denn Leichtbau-Sitze liegen teilweise deutlich unter 200 Gramm Gewicht. Das Modell von Fingerprint ist ebenfalls mit Titanstreben erhältlich, was das Gewicht reduziert. Auch Echtleder-Bezug ist möglich. 

https://fingerprint-cycling.com/ und https://personomic.bike/ 

 

Ausprobiert: Lastenrad Chike E-Cargo

Lastenräder gibt es in verschiedenen Bauformen, die alle Stärken und Schwächen haben. Lastendreiräder stehen sicher und lassen sich auch mit schwerer Last gut kontrollieren, denn die drei Räder schaffen sicheren Stand. In Kurven muss man jedoch vorsichtig sein, da sie bei zu hohem Tempo kippen könnten. 

Neigetechnik für besseres Fahrverhalten

Um diese Schwäche zu beseitigen, verwendet Chike eine Achsschenkel-Lenkung mit Neigetechnik. Damit kann man sich fast wie mit einem normalen Fahrrad in Kurven legen und muss nicht vorher langsamer werden. Das funktioniert sehr intuitiv, während man sich an das Fahrverhalten anderer Lastenradtypen erst gewöhnen muss. So geht es flott voran und auch durch Kurven. 

Will man das Chike abstellen oder beladen, sind immer zwei Handgriffe nötig: Die Neigetechnik muss blockiert werden, sonst kippt es schnell zur Seite. Auch muss man die Feststellbremse anziehen, indem man den linken Bremshebel zieht und dann einen kleinen Hebel umlegt. Dafür benötigt man meist zwei Hände, da der Hebel nicht sehr leichtgängig ist. 

 

Transportbox

Die Transportbox fällt kleiner aus als bei Dreirädern ohne Achsschenkel-Lenkung. Denn diese Konstruktion benötigt mehr Platz. Trotzdem bietet sie mit der Umrandung satte 210 Liter Ladevolumen. Beachten muss man, dass die Lenksäule durch die Box verläuft und damit den Platz für sperrige Ladung einschränkt. Die Seitenteile lassen sich einfach abnehmen, so dass auch Ladung transportiert werden kann, die länger als die Ladefläche ist. Schienen in der Ladefläche dienen zur Befestigung von Spanngurten. Zusätzlicher Stauraum lässt sich gewinnen, indem eine oder zwei Transportboxen am Rahmen unterhalb der Plattform montiert werden. 

Am hinteren Gepäckträger können auch Gepäcktaschen eingehängt werden. Wie bei kompakten Laufrädern üblich, ist der Platz jedoch knapp bemessen, und man muss die Befestigungsteiler der Taschen sorgfältig einstellen, damit man sie beim Pedalieren nicht mit der Hacke berührt. 

Neben dem Chike Cargo gibt es noch weitere Modelle für Kinder- und Hundetransport sowie für professionelle Anwendungen. Wer ein Chike besitzt, kann aber auch die anderen Transportmodule nutzen. 

Antrieb

Shimanos EP6-Motor sorgt für den Vortrieb des Chike. Viele Parameter sind einstellbar, zum Beispiel die Zahl der Unterstützungsstufen. Uns gefiel die Konfiguration mit sieben Stufen besser als die Werksteinstellung mit drei – die einzelnen Sprünge fühlen sich harmonischer an. Auf Wunsch kann man die Schaltautomatik nutzen oder auch selber schalten. Der Motor schiebt kräftig an, auch Anstiege mit viel Beladung stellen so kein Problem dar, so lange sie nicht besonders steil sind. 

 

Fahren mit Beladung

Die Transportbox darf mit bis zu 80 Kilogramm beladen werden. Um die Fahreigenschaften zu prüfen, haben wir das fast ausgereizt.

Mit vier 15-Liter-Eimern Wandfarbe, die jeweils knapp 20 Kilogramm wiegen und einigem Malerzubehör fuhr sich das Chike immer noch souverän. In Kurven ist etwas mehr Nachdruck gefordert, um in die Schräglage zu kommen, aber es gab kein unsicheres Kippgefühl. Anders beim Ampelstopp: Bei schwerer Beladung sollte man kurz vorm Stehenbleiben die Neigetechnik blockieren. Sonst kann es passieren, dass die Plattform sich zur Seite neigt und nur mit viel Kraft wieder aufgerichtet werden kann. 

Die beiden Vorderräder sind gefedert, dadurch lässt sich auch auf unebenem Untergrund wie Kopfsteinpflaster komfortabel fahren. 

Weitere Ausstattung

Geschaltet wird beim von uns ausprobierten Modell mit der Fünfgang-Nabenschaltung Inter 5E von Shimano. Diese Nabe ist speziell auf die Verwendung mit Elektromotoren abgestimmt und hält höheren Drehmomenten stand als herkömmliche Getriebeschaltungen. Der Übersetzungsbereich beträgt 263 Prozent. Das reicht für leichte bis mittlere Anstiege, wird es steil, fehlt es an einer leichteren Übersetzung. 

Für den Alltag sehr angenehm ist der Riemenantrieb, der nur wenig Wartung bedarf und keine Schmierung benötigt – Hosenbeine sind somit vor öliger Verschmutzung sicher. Daneben kommen hochwertige und funktionale Komponenten zum Einsatz – Beleuchtung von Busch+Müller, Reifen von Schwalbe und Anbauteile von Contec. Kritik rief lediglich der weiche Sattel hervor – auf kurzen Strecken ist er bequem, aber nach einigen Kilometern wird es unkomfortabel. 

Das Chike E-Cargo ist ab 7.199 Euro erhältlich. Mit der von uns ausprobierten Zusatzausstattung wie der Umwandung der Transportplattform, Abdeckung der Box, Kantenschutz und Spritzschutzlappen kommt es auf 7.819,88 Euro. Das Modell Chike E-Cargo SE gibt es ab 6.199 Euro. 

www.chike.de

ADFC-Gliederungen können ein Chike zum Sonderpreis im ADFC-Design kaufen. Mehr Infos im Aktivenbereich auf www.adfc.de

 

Für warme Finger

Radfahren bei Kälte macht Spaß, wenn die Kleidung dazu passt. Verfrorene Hände sind nicht nur unangenehm, sondern können auch gefährlich werden, weil man mit steifen Fingern schlechter bremsen kann. Gute Handschuhe sind im Winter also besonders wichtig. 

Wirksame Fütterung

Chiba bietet mit dem City Liner ein Modell für kalte und nasse Tage, das sich in unserem Praxiseinsatz bewährt hat. Für die Wärme sorgt das Futter aus Primaloft, das sehr leicht ist und gut isoliert. Viele kennen das Material auch von leichten Outdoorjacken für den Winter. 

 

Wasserdicht

Eine wasserdichte Membran stellt sich Regen in den Weg, die gummierte Innenhand sorgt auch bei Nässe für guten Halt am Griff. Der Handschuh ist vorgeformt: Die Finger sind bereits leicht nach innen gebeugt, dadurch kommt es zu weniger Faltenbildung in der Innenhand. Das trägt, wie die breiten Pulswärmer, zum angenehmen Tragegefühl bei – die Hände fühlen sich auf Anhieb wohl. 

Im Temperaturbereich von etwa 7 Grad plus bis 3 Grad minus funktioniert der Handschuh am besten. Bei noch kälteren Temperaturen und geringer Anstrengung beim Radfahren kroch der Frost nach und nach hinein. Dabei ist natürlich zu beachten, dass das Kälteempfinden individuell unterschiedlich sein kann. 

Steigen die Temperaturen dagegen, fällt die Atmungsaktivität der Handschuhe positiv auf – auch wenn es eigentlich zu warm ist, werden die Hände nicht sofort schwitzig. 

Eingeschränkt Smartphone-tauglich

Die Zeigefinger sind an den Spitzen mit einem Smartphone-tauglichen Material ausgerüstet. Das funktioniert zwar, allerdings sind die Finger von Winterhandschuhen zu dick, um das Telefon sinnvoll zu bedienen. Daher muss man meist doch die Handschuhe ausziehen. Einen Anruf anzunehmen, funktioniert, Nachrichten tippen dagegen nicht. 

Bei Regen bleiben die Hände trocken, und Wind wird ebenfalls wirkungsvoll abgehalten. Der City Liner ist deshalb ein gelungener Winterhandschuh für Alltag und Touren. Für den Arbeitsweg in der Dunkelheit empfiehlt sich die gelbe Version, da sie besser zu sehen ist als die schwarze oder grüne. Der Preis liegt bei 40 Euro. Erhältlich ist der Handschuh im Fachhandel oder direkt bei Chiba. 

www.chiba.de

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