
Der Vorstand des Jungen ADFC: Sebastian Vogel, Lilia Vogt, Lena Adam, Norman Kleist und Elija König (v. l. n. r., nicht im Bild: Lena Becker) © ADFC/Mazin Alwan
Radfahren muss für die Jugend cooler werden
Im neu gegründeten Jungen ADFC sind Lilia Vogt und Sebastian Vogel die gewählten Bundesjugendsprecher:innen. Im Interview sprechen sie über jugendgerechte Verkehrspolitik, feministische Verkehrswende und die Mobilisierung junger Menschen.
Warum engagiert ihr euch im Jungen ADFC?
Lilia Vogt: Abgesehen davon, dass ich im Alltag immer überall hin mit dem Fahrrad und in der Freizeit oft Rennrad fahre, liegt es vor allem daran, dass ich letztes Jahr einen Freiwilligendienst in Frankreich in einer Fahrradwerkstatt und -schule gemacht habe. Das Ziel war es, in einer kleinen Stadt die Leute nachhaltig für das Radfahren zu begeistern. Also den Menschen dort bei Fahrradreparaturen zu helfen oder auch dabei, das Radfahren zu lernen. In der Gemeinde kam das super gut an und gehörte zum kulturellen Angebot der Stadt. Die Erfahrung hat mir gezeigt, wie viel Potenzial darin steckt, das Fahrrad stärker in die Gesellschaft einzubringen.
Und wie wichtig es mir ist, dass mehr Menschen davon profitieren, dass das Radfahren gesund, günstig und klimafreundlich ist. Die Gründung des Jungen ADFC ist die perfekte Gelegenheit, mich weiter für das Fahrrad einzusetzen. Außerdem haben mich die politischen Ereignisse in der letzten Zeit häufig frustriert, dafür bietet ein Ehrenamt grundsätzlich immer ein gutes Ventil.
Sebastian Vogel: Das Radfahren sowie politisches Interesse und Engagement sind bei mir schon seit einigen Jahren wichtige Themen. Im Jungen ADFC habe ich nun die perfekte Möglichkeit gefunden, beides miteinander zu kombinieren. Während ich im niederländischen Utrecht studiert habe, konnte ich feststellen, wie viel gute Radinfrastruktur ausmacht. Gleichzeitig hatte ich immer mehr den Eindruck, dass es mit der Verkehrswende in Deutschland viel zu langsam vorangeht, obwohl gerade für den Klimaschutz dringender Handlungsbedarf besteht. In der bisherigen AG Junge Menschen im ADFC habe ich viele junge Menschen getroffen, die diese Perspektiven teilen und für Veränderung sorgen wollen – mit dem Jungen ADFC schaffen wir nun eine Plattform, in der wir das zukünftig gemeinsam tun können.
Lilia Vogt ist 20 Jahre alt, studiert Grundschullehramt in Erfurt und wurde im April 2025 zur ersten Bundesjugendsprecherin des neu gegründeten Jungen ADFC gewählt. Die gebürtige Augsburgerin sammelte während ihres Freiwilligendienstes in einer französischen Fahrradwerkstatt erste Erfahrungen in der Fahrradförderung und vertritt nun gemeinsam mit Sebastian Vogel die rund 30.000 jungen ADFC-Mitglieder zwischen 10 und 26 Jahren.
Sebastian Vogel ist 23 Jahre alt, studiert European Governance und wurde zum Bundesjugendsprecher des Jungen ADFC gewählt. Der aus dem niedersächsischen Axstedt stammende Studierende erkannte während seines Studiums in Utrecht die Defizite der deutschen Radinfrastruktur. Mit dem Jungen ADFC will er junge Menschen dazu motivieren, sich aktiv für die Verkehrswende einzusetzen.
Welche Themen wollt ihr angehen?
Lilia Vogt: Insgesamt sind wir breit aufgestellt und doch geht es letztendlich um ein gemeinsames Ziel: Das Radfahren für alle Menschen ansprechender zu gestalten. Auch wenn viele gerne das Rad nutzen, steht bei den meisten von ihnen das Eintreten für bessere Radinfrastruktur einfach nicht auf der Agenda. Wir sind aber fest überzeugt, dass man das Thema mit coolen Aktionen und Events, die Spaß machen und junge Leute zusammenbringen, mehr in den Mittelpunkt rücken kann. Der Fokus liegt daher auf der regionalen Vernetzung, sowie auf der Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen wie in der AG Interne Entwicklung oder der AG Nachhaltigkeit.
Für uns ist es wichtig, dass wir eine breite Schicht ansprechen. Sich mit dem Fahrrad fortzubewegen, ist für alle Gesellschaftsgruppen absolut lohnenswert – das muss in Deutschland noch viel mehr normalisiert und für die Jugend auch einfach cooler werden.
Sebastian Vogel: Politisch stehen wir natürlich grundsätzlich hinter den Positionen des ADFC: Mehr Platz für Radfahrende und eine Verkehrswende mit dem Fahrrad im Mittelpunkt. Aber wir möchten dabei die besonderen Perspektiven junger Menschen einbringen. Dabei geht es z. B. um die besondere Dringlichkeit von Veränderungen im Verkehrsbereich für mehr Klimaschutz, aber auch spezifische Mobilitätsverhalten und Vulnerabilitäten junger Menschen. Hierzu wollen wir in Zukunft gemeinsame Positionen erarbeiten und dann innerhalb und außerhalb des ADFCs vertreten. Ganz wichtig ist dabei auch die Arbeit auf lokaler Ebene. Daher möchten wir die Gründung lokaler junger ADFCs voranbringen und zudem Junge ADFC-Mitglieder unterstützen, sich in bestehenden ADFC-Strukturen einzubringen.
Wie erlebt ihr den Alltag auf dem Rad in euren Heimatorten Erfurt bzw. Axstedt?
Lilia Vogt: Ich würde sagen, es ist okay. Es gibt schon häufig Radwege und ab und zu eine Fahrradstraße. Aber man merkt, dass die Radwege mehr dazu gebastelt als von Anfang an mitgedacht sind. Insgesamt ist es wie an vielen Orten nicht sehr einladend für Leute, die noch ein bisschen skeptisch gegenüber dem Radfahren in der Stadt sind. Ich habe auch mal mit Freundinnen an der Uni darüber geredet. Die meinten einerseits, dass die Radinfrastruktur hier schon deutlich besser ist als in ihren Orten zu Hause. Ich selbst komme aus Augsburg, da ist es ähnlich wie in Erfurt. Andererseits reicht es nicht als Anreiz aus, dass sie sich hier umgewöhnen – dafür sind die Radwege dann doch zu inkonsistent und die Autos zu viele. Ich denke, das ist genau der Grund, weshalb es so wichtig ist, dass wir als Junger ADFC frischen Wind in die Verkehrspolitik bringen, damit das Radfahren an Attraktivität gewinnt und Spaß macht!
Sebastian Vogel: In einem kleinen Dorf im ländlichen Raum ist die Lage ein bisschen anders als in Städten. Dennoch geht es am Ende um dieselben Themen: Es braucht mehr und sichere Radwege, damit Radfahrende schnell, sicher und komfortabel an ihr Ziel kommen. In meiner Gegend sind aber die allermeisten Radwege ziemlich schmal und von schlechter Qualität. Deshalb fahre ich oft sogar lieber auf der Straße. Bei sehr vielen Radwegen hoben die Behörden auch die Benutzungspflicht auf, da sie die Mindestanforderungen nicht erfüllen. Das ist zwar besser als ein benutzungspflichtiger, schlechter Radweg. Aber eigentlich wäre es dringend notwendig, in bessere Radinfrastruktur zu investieren.
Was hindert insbesondere junge Menschen eurer Meinung nach daran, häufiger oder überhaupt Rad zu fahren?
Sebastian Vogel: Das hat viel mit Infrastrukturthemen zu tun. Wenn ich mich daran erinnere, wie ich in den Wintermonaten in kompletter Dunkelheit zur Schule geradelt bin und dabei mangels Radweges die Straße mit 100 km/h fahrenden Autos teilen musste – da kann ich mir vorstellen, dass das nicht für alle attraktiv ist. Auch was sichere und komfortable Abstellmöglichkeiten an Schulen, Unis oder Freizeitorten angeht, gibt es oft viel Verbesserungspotenzial. Es fehlen zum Beispiel auch Reparaturmöglichkeiten, falls man mal einen Platten oder sonstigen Defekt hat. Ich bin mir aber sicher, dass das Radfahren sehr attraktiv und praktisch für junge Menschen ist, wenn sich einige Dinge verbessern.
Lilia Vogt: Neben diesen Herausforderungen im Straßenverkehr geht es auch um die Frage, wie verbreitet und akzeptiert das Radfahren im jeweiligen sozialen Umfeld ist. Im Alltag, vor allem auf dem Weg zur Schule oder zur Ausbildungsstätte oder Uni, schreckt das Schwitzen, das Helmtragen und die Einschränkungen bei der Kleidungswahl mehr junge Leute ab, als man denkt. Das ist auch in meinem Freundeskreis – unter denen, die häufig Rad fahren – oft Thema. Ist man das von seinem Umfeld gewohnt und würde die Mehrheit überall verschwitzt ankommen, wäre das nur halb so schlimm. Noch ein Grund mehr, Leute vom Radfahren zu überzeugen. Die Hemmschwelle kann ziemlich hoch sein, wenn es darum geht, sich um die Reparatur des Rads zu kümmern. Oder um das nötige Zubehör und Regenkleidung bei schlechtem Wetter. Gerade mit dem Deutschlandticket ist das moralisch ebenso vertretbare Bahnfahren die bequemere Option.
Ihr sprecht davon, die Stimme der jungen Generation in der Verkehrspolitik zu stärken. Wie wollt ihr politischen Einfluss nehmen?
Lilia Vogt: Auf verschiedene Weise. Zunächst gibt es eine AG Verkehrspolitik, die Forderungen formuliert und sich Themen überlegt, zu denen wir uns als Junger ADFC positionieren. Wie das inhaltlich genau aussehen wird, zeigt sich in der nächsten Zeit. Außerdem haben wir im ADFC-Bundesvorstand eine Bundesjugendvertreterin, Lena Adam, die nun als Teil des Bundesvorstands durch den direkten Kontakt dort mitreden und konkret unsere Forderungen sowie Positionen vertreten wird.
Sebastian Vogel: Wir haben viele Ideen und müssen nun schauen, wie viel wir davon zu Beginn umsetzen können. Ein wichtiger Punkt werden Social Media-Kampagnen sein, aber auch die Teilnahme an Demos, Sternfahrten und so weiter – hinzukommt hoffentlich auch die Organisation von eigenen Aktionen des Jungen ADFC. Wir wollen prüfen, inwiefern wir mit anderen Jugendorganisationen im Bereich Verkehrswende, Klima- und Umweltschutz zusammenarbeiten können. Zudem ist die verkehrspolitische Arbeit vor Ort sehr wichtig. Daher wollen wir unsere Mitglieder dabei unterstützen, lokale Gruppen aufzubauen und sich in bestehende ADFC-Strukturen einzubringen.
Feministische Verkehrspolitik ist eines eurer Themen – was versteht ihr darunter und warum ist das wichtig für den Radverkehr?
Sebastian Vogel: Verkehrspolitik machen bisher zu oft vor allem Männer, die dann nicht-männliche Perspektiven nicht ausreichend im Blick haben. Wenn wir die Verkehrswende voranbringen wollen, müssen wir die Perspektiven aller Menschen einbeziehen. Das ist eine wichtige Aufgabe für den ADFC: Mit Frauennetzwerken und paritätisch besetzten Vorständen ist da schon einiges in Bewegung, was wir weiter voranbringen wollen. Auch im Jungen ADFC selbst müssen wir dafür sorgen, dass wir mehr Vielfalt abbilden, zum Beispiel für Menschen mit Migrationshintergrund. Genau zu dem Thema arbeitet die AG „Wir wollen alle“.
Lilia Vogt: Ich sehe da Parallelen zu unseren Forderungen, dass die jüngere Generation bei der Verkehrswende einbezogen werden muss. Auch Frauen haben im Radverkehr Bedürfnisse, die zurzeit noch zu kurz kommen. Dazu zählt zum Beispiel, dass Frauen in der Regel häufiger mit Kindern unterwegs sind. Damit das auch mit dem Rad gut möglich ist, muss unter anderem genug Platz für Anhänger da sein. Und natürlich muss die Sicherheit für jüngere Kinder auf dem Rad im Straßenverkehr gewährleistet werden. Wer sich dafür interessiert, dem sei der Artikel „Warum die Verkehrswende feministisch sein muss” empfohlen. Er gibt einen guten Überblick über wichtige Inhalte der feministischen Verkehrspolitik.
Die Altersspanne im Jungen ADFC reicht von Jugendlichen bis jungen Erwachsenen. Wie schafft ihr es, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen der Gruppe gleichermaßen anzusprechen und zu vertreten?
Sebastian Vogel: Je mehr Leute aktiv dabei sind, desto besser können wir die verschiedenen Bedürfnisse und Interessen auch abdecken. Im Bundesjugendvorstand selbst sind wir alle über 20 Jahre alt. Daher freuen wir uns besonders, wenn sich jüngere Mitglieder aktiv in die Arbeit der AGs oder lokale Gruppen einbringen. Das ergänzt unsere Perspektive. Bei so einer großen Altersspanne ist es wichtig, dass sich bei unseren Veranstaltungen alle wohlfühlen. Darauf haben wir bereits beim ersten Bundesjugendforum mit einem Awareness-Team geachtet und wollen auch in Zukunft darauf aufpassen.
Lilia Vogt: Wir sehen das als große Bereicherung, denn wir befinden uns oft in sehr unterschiedlichen Lebensphasen und haben daher alle unterschiedliche Perspektiven. Das Motto bleibt jedoch dasselbe: Eine gute Verkehrspolitik ist wichtig für unsere gemeinsame Zukunft. Bereits auf dem Bundesjugendforum, also auf dem Gründungswochenende des Jungen ADFC, zeigte sich, dass es Bestrebungen gibt, mit Schulen zusammenzuarbeiten. Hierauf hätte ich meinen Fokus zunächst nicht gelegt. Es ist aber ein Bereich mit großem Potenzial – und genau deswegen ist es doch perfekt, dass diejenigen, die derzeit noch in die Schule gehen, die Interessen Gleichaltriger so gut vertreten.
Welche Rolle spielen die Sozialen Medien bei euch, um junge Menschen zu erreichen und zu mobilisieren?
Lilia Vogt: Die Sozialen Medien, insbesondere Instagram und TikTok, nehmen bei den meisten, die zu unserer Zielgruppe gehören, einen großen Teil des Alltags ein. Und was auf Social Media im Trend ist, ist häufig auch außerhalb davon im Trend. Daher ist es wichtig, wie wir uns dort präsentieren. Einerseits, um an Reichweite zu gewinnen; andererseits, damit Interessierte einen aussagekräftigen Eindruck von unsere Organisation und unserem Angebot bekommen. Wir planen deshalb, verschiedene Themen abzudecken. Dazu zählt alles von Updates zu Aktionen und Treffen des Jungen ADFC über aktuelle Infoposts oder Fakten zum Radfahren bis hin zu lockerem Content, der der Unterhaltung und der Darstellung der positiven Seiten des Radfahrens dient.
Sebastian Vogel: Radthemen sind in Sozialen Medien ja durchaus präsent, vor allem zu Themen wie Radsport oder Radreisen. Daran können wir gut anknüpfen. Wir wollen mit unseren Accounts zu einer Informations- und Anlaufstelle für junge Radinteressierte werden und auch die politische Bedeutung des Radverkehrs hervorheben. Denn wer gerne zum Sport, in der Freizeit oder auf Reisen mit dem Rad unterwegs ist, kann das noch besser und sicherer, wenn politisch etwas für den Radverkehr gemacht wird.
Wenn ihr fünf Jahre in die Zukunft blickt: Welche wichtigen Veränderungen für junge Radfahrende wollt ihr bis dahin angestoßen haben?
Sebastian Vogel: Ich erwarte, dass der Verkehrssektor insgesamt endlich auf einen klimaneutralen Pfad kommt – und das geht definitiv nur mit einer starken Rolle des Rads. Auch die Sicherheit für Radfahrende muss sich verbessern, und die Vision Zero soll möglichst bald erreicht werden. Gerade Kinder und Jugendliche, die zum Beispiel im Dunkeln zur Schule fahren, sind besonders vulnerabel. Konkret muss es daher sichere Radwege zu allen Schulen, Unis und zu anderen, für junge Menschen wichtigen Orte geben.
Und zum Thema Verbandsstrukturen: Neben dem Aufbau unserer eigenen Strukturen als Junger ADFC möchten wir auch dazu beitragen, den ADFC insgesamt zu stärken und attraktiver für junge Menschen zu machen. Damit er besser als bisher wirklich alle Radfahrenden in Deutschland repräsentiert.
Lilia Vogt: Ich fände es schön, wenn der Junge ADFC in fünf Jahren seine Strukturen so weit verfestigt hat, dass für jüngere Interessierte das Engagement in der Verkehrspolitik oder einfach für den Radverkehr attraktiv und leicht zugänglich ist. Damit meine ich, dass der Junge ADFC in den Kreisen junger Radfahrender bekannt und präsent ist und gleichzeitig positiv wahrgenommen wird. Und ich hoffe, dass sich der Anteil von jungen Menschen im Radverkehr spürbar erhöht hat und ein Roadtrip gerne durch einen Radurlaub mit Freundinnen und Freunden ersetzt wird. Außerdem ist mir wichtig, dass wir die Debatte um die Verkehrsplanung und um die Umverteilung des Platzverhältnisses zwischen Autostraßen und Radwegen mit neuer Dringlichkeit führen – und zwar mit dem Hintergrund, die Lebensqualität junger Menschen zu verbessern. Also die Lebensqualität der Gesellschaftsgruppe, die den Verkehr noch am längsten nutzen wird und die, aufgrund der Überalterung in Deutschland, viel zu oft ungehört bleibt.
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