Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. (ADFC)

Freistelleraufnahme des grauen Konrad Cross ATB

Das Konrad Cross ATB © Konrad Bikes

gesehen+gefahren: Hightech aus Höxter

Konrad ist eine noch junge Fahrradmarke, die zur Reitz Group gehört – einem weltweit agierenden Hersteller von Industrieventilatoren. Seit 2023 sollen Elektrofahrräder frischen Wind in die Branche bringen. Wir haben das Modell Cross ATB ausprobiert.

Der Hersteller legt Wert auf einen umsichtigen Umgang mit Ressourcen. Das zeigt sich in der Auswahl der Komponenten, die vor allem von deutschen Zulieferern stammen: Bremsen von Magura, Neungang-Schaltung von Pinion, Sattel, Lenker und Griffe von SQlab, Feder-Sattelstütze von bySchulz und ein neuer Hinterradantrieb von Aximo aus Süddeutschland. Ein lobenswerter Ansatz, der Transportwege minimiert, auch wenn die Komponenten natürlich nicht komplett in Deutschland hergestellt werden.

Eigenständiges Design

Der Rahmen mit dem voluminösen Knotenpunkt von Ober- und Steuerrohr hat eine sehr charakteristische Formgebung, die das Rahmendesign von der Konkurrenz abhebt. Die Rahmenrohre sind makellos miteinander verbunden und wirken mit der silbernen Plakette mit dem K-Logo sehr elegant, wozu die innen verlegten Züge ebenfalls beitragen. Auch die Sitzstreben, die vor dem Sattelrohr aufs Oberrohr treffen, tragen zum prägnanten Design bei. Hier wurde offensichtlich sehr viel Arbeit in die Entwicklung gesteckt - die hat sich gelohnt. 

Auch die Ausstattung ist bis ins kleinste Detail sehr hochwertig, was man bei dem enormen Preis von 7.550 Euro auch erwarten muss. Keine Frage, hier hat man es mit der Oberklasse im Fahrradbereich zu tun, und der erste Eindruck bestätigt das. Leider gibt es nur zwei Rahmengrößen mit Diamantrahmen und einer Größe mit Trapezrahmen. Viele potenzielle Nutzer:innen müssten daher Kompromisse bei der Passform eingehen. 

Starker Schub

Beim Antrieb schwimmt Konrad gegen den Mittelmotor-Strom: Der Aximo-Hinterradmotor ist ein Direktläufer, er hat also im Inneren kein Getriebe und damit wenig Teile, die kaputt gehen könnten. Steuerung, Display und Akku stammen von FIT. Das System ist an vielen Elektrofahrrädern im Einsatz und hat sich bewährt. Über eine Smartphone-App lassen sich verschiedene Einstellungen vornehmen oder die Navigation nutzen – Richtungspfeile auf dem Display am Rad weisen dann den Weg. 

 

Harmonisch abgestimmt

Der Motor entfaltet seine Kraft erst ab einer gewissen Drehzahl effektiv – das ist typisch für getriebelose Hinterradmotoren. Das Anfahren fühlt sich daher so an, als wäre man mit einem unmotorisierten Rad unterwegs. Nach wenigen Kurbelumdrehungen wird dann der Schub spürbar – und zwar deutlich. Der Aximo-Motor ist mit 60 Nm ein echtes Kraftpaket und beschleunigt je nach Unterstützungsstufe von sanft bis stürmisch. Sehr angenehm ist dabei, dass die Motorkraft harmonisch einsetzt und auch wieder abnimmt, sobald die 25 Km/h erreicht sind. 

Bergab lässt sich die Rekuperations-Funktion nutzen: Der Motor wird dann zum Dynamo und produziert Strom für den Akku. Dafür muss die Abfahrt aber ein gewisses Gefälle haben, denn die Funktion wirkt als Motorbremse, die das Rad bei leichtem Gefälle schnell zum Stehen bringt. Bei den kurzen Abfahrten, die in Berlin zu finden sind, ließ sich nicht überprüfen, wie effektiv die Energie-Rückgewinnung funktioniert. 

Am wohlsten fühlen sich Hinterradmotoren wie der Aximo in hügeligem Gelände. Lange Anstiege und steile Rampen sorgen wegen der geringen Drehzahl des Hinterrades dafür, dass die Motorkraft nicht sehr effektiv auf die Fahrbahn gebracht wird und sich der Motor auf Dauer aufheizt und die Unterstützung drosseln muss. 

Mit über fünf Kilogramm ist der Motor auch für das hohe Fahrzeuggewicht von mehr als 31 Kilogramm verantwortlich. Muss das Rad getragen werden, ist Körperkraft gefragt. 

Fahreindruck

Das Cross ATB (All-Terrain-Bike, Jedes-Gelände-Rad) ist auch für den Einsatz abseits befestigter Wege gedacht. Stollenreifen, eine hervorragende Federgabel sowie eine Federsattelstütze und ein sehr breiter, gerader Lenker sorgen dafür, dass man auf unwegsamen Strecken die Kontrolle behält und komfortabel unterwegs ist. Der Lenker könnte schmal gebauten Personen auf Dauer etwas zu breit sein und den Komfort auf langen Touren schmälern. Die gefederte Sattelstütze ist etwas unterdämpft und neigt dazu, nach Stößen mehrmals auf- und abzuwippen. Komfortabel ist sie trotzdem; an das Wippen gewöhnt man sich. 

Im Fahrbetrieb vermittelt das Konrad ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle, wozu auch die sehr kräftigen Scheibenbremsen beitragen. Besonders wendig ist es nicht, das gehört aber auch nicht zum Konzept: Spurtreue ist auf Touren wichtiger als Spritzigkeit und Wendigkeit in engen Kurven. 

Die Pedale mit eingeschraubten Pins – kleinen Innensechskant-Schräubchen – sind im Mountainbike-Bereich beliebt, weil sie sich in weiche Gummisohlen bohren und für viel Haftung des Schuhs am Pedal sorgen. Wer im Alltag damit fährt, riskiert aber, Schuhsohlen vorzeitig zu verschleißen und wenn das Schienbein einmal die schmerzhafte Bekanntschaft mit den Pins machen sollte, wird man schnell auf andere Modelle umrüsten. Für den Alltag sind solche Pedale nicht gut geeignet. 

 

Alltags-Ausstattung 

Die Alltags-Ausstattung genügt hohen Ansprüchen. Scheinwerfer und Rücklicht von Supernova sehen schick aus und sind leistungsfähig. Die breiten Schutzleche sind aus Aluminium und damit sehr solide. Vorne dürfte das Blech aber ein Stück länger sein, um die Schuhe besser vor Nässe zu schützen. Der Gepäckträger von Racktime passt optisch sehr gut zum Rad und trägt bis zu 25 Kilogramm. Pinions Neunfach-Getriebe ist in Verbindung mit dem Riemenantrieb sehr wartungsarm und langlebig. 

Das zulässige Gesamtgewicht des Konrads beläuft sich auf 140 Kilogramm. Zieht man das Eigengewicht des Rades ab, bleiben knapp unter 110 Kilogramm für Fahrer und Gepäck. Für große und schwere Pilot:innen kann das mit Reisegepäck schon etwas eng werden. 

Die vorgeschriebenen Front- und Rückreflektoren sind leider nicht montiert. Aus ästhetischen Gründen? Die beigelegten Klebe-Reflektoren sind kaum mehr als ein Alibi, die kaum dauerhaft halten dürften. Zwar sind letztlich die Nutzenden für StVZO-konformen Betrieb des Fahrrades verantwortlich. Aber investiert man so viel Geld in ein Rad, um sich um so ein Detail selber kümmern zu müssen? Interessent:innen sollten vor dem Kauf auf fest montierte, nicht geklebte, Front- und Rück-Reflektoren bestehen. 

Online-Shop und Service-Partner

Als junge Marke hat Konrad noch kein flächendeckendes Netz an Fachhändler:innen zu bieten. Die Fahrräder werden online verkauft, die über Deutschland verteilten Serviepartner:innen lassen sich noch an zehn Fingern abzählen. Das dürfte sich in Zukunft ändern. Im schlechtesten Fall müsste ein reparaturbedürftiges Rad zum Hersteller eingeschickt werden. 

Fazit

Das Konrad Cross ATB beindruckt mit eigenständiger Formensprache und sehr hochwertiger Ausstattung. Es kann als Alltagsfahrzeug ebenso dienen wie als Reiserad, und das auf jedem Untergrund. Es vermittelt eine hohe Fahrsicherheit, der noch wenig verbreitete Hinterradantrieb kann überzeugen, sofern Anstiege nicht zu lang oder zu steil sind. Die Auswahl an Rahmengrößen ist jedoch sehr begrenzt. Überdenken sollte man die Wahl der Pedale, auch die Lenkerbreite ist für manche Fahrer:innen möglicherweise zu breit. Wenn der Hersteller jetzt noch vernünftige Reflektoren montiert, ist das Konrad eine echte Empfehlung – für alle, die das nötige Kleingeld haben. 

Ausstattung:

Rahmen/Gabel: Aluminium/Fox 34 AWL

Größen: Trapez 48 cm, Diamant 52, 56 cm

Antrieb: Hinterradmotor Aximo DD60, 60 Nm, mit Riemenantrieb

Akku: FIT Tubepack, wahlweise 500 oder 800 Wh, Zusatzakku mit 541 Wh erhältlich

Schaltung: Tretlagergetriebe Pinion C1.9 mit neun Gängen, optional C1.12 mit 12 Gängen

Vorbau/Lenker: Ergotec

Griffe, Sattel: SQLab

Laufräder: 28 Zoll, Felgen Ryde Andra Disc, Vorderradnabe DT Swiss 350 DBIS Boost, HR-Nabe Aximo-Motor, Reifen Schwalbe Marathon Plus MTB, 60 mm Breite

Gepäckträger: Racktime Standit 2.0, bis 25 kg

Schutzbleche: Hebie Alumee 

Gewicht/zul. Gesamtgewicht: 31 kg/140 kg

Preis: ab 7.550 Euro

www.konradbikes.de 

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