Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. (ADFC)

Claus Ruhe Madsen ist Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock.

Claus Ruhe Madsen ist Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock. © Kristina Becker photovisionen

Mobilitätswende heißt Verkehrsflächen neu definieren

Nachgefragt bei Claus Ruhe Madsen. Er ist Rostocks Oberbürgermeister. Der Däne aus Kopenhagen ist für mehr Radverkehr in der Hansestadt angetreten. Um den Platz in der Stadt umzuverteilen, will er Stadt und Verwaltung neu denken.

Herr Madsen, Sie möchten, dass Rostock Fahrradstadt wird. Welche Schritte sind geplant und welcher Zeitraum ist dafür realistisch?

Wir bauen in Rostock u. a. ein Radschnellwegenetz, das insgesamt 24 Kilometer umfassen soll. Den ersten Abschnitt haben wir 2020 eröffnet. Das gesamte Netz wird frühestens in zehn Jahren fertig sein. Meine Amtszeit dauert sieben Jahre – daher möchte ich die Fahrradstadt mit weiteren Ideen beschleunigen: Aktuell prüfen wir, ob wir im Warnowtunnel eine Spur für Radfahrende reservieren können. Dort darf man mit dem Rad bisher nicht durch. Außerdem haben wir ein neues Amt für Mobilität gebildet, das die Fachbereiche Verkehrsplanung und Mobilität sowie die Verkehrsbehörde vereint. Zusätzlich wollen wir mit vielen kurzfristigen Maßnahmen wie Fahrradstraßen, neuen Radwege und Lückenschlüssen im Radnetz Zeit aufholen.

Werden Gelder aus dem Klimapaket der Radinfrastruktur Schub verleihen? Wie gehen Sie z. B. mit dem Problem der begrenzten personellen Ressourcen um?

Rostock erhält Bundesmittel für den Ausbau des Radschnellwegenetzes, aber auch für eine Fußgänger- und Fahrradbrücke über die Warnow. Wir haben, wie viele deutsche Städte, ein Problem mit Planungsressourcen und Baukapazitäten und verbauen seit Jahren nur die Hälfte des zur Verfügung stehenden Geldes. Ich möchte aber ein Umdenken und einen neuen Geist in der Verwaltung erreichen und nicht immer nur mehr Geld fordern. In Dänemark werden Planung und Bau von Radwegen von Verwaltungen eingekauft; in den Niederlanden erhalten Planungsbüros mehr Geld, wenn sie schneller fertig sind. Es ist einfach nicht nachgewiesen, dass wir nur dadurch schneller werden, dass wir neue Leute einstellen. Auch Aussagen wie „Das geht nicht“ oder „Das haben wir schon immer so gemacht“ bremsen. Ich möchte eine Kultur des „So machen wir das jetzt möglich!“ etablieren und Experten einkaufen, die weltweit schon Radwegenetze gebaut haben, und denen sagen können: ‚Macht uns den Plan fertig, und zwar sehr schnell.‘ Und beim Bau der Radwege genauso.

Ein Ausbau von Radinfrastruktur löst nicht nur Begeisterung aus. Wie gehen Sie mit Gegenwind aus der Bevölkerung um?

Wir haben in Rostock eine vierspurige Stadtautobahn, auf der man mit dem Auto von der Innenstadt bis an die Ostsee nach Warnemünde kommt. Ich habe den Vorschlag gemacht, dass man eine Seite den Autos belässt und die andere Seite zu einem Radschnellweg umwidmet. Auch wenn mir das viel Kritik eingebracht hat, ist die Idee noch nicht vom Tisch. Es geht künftig um eine Neuaufteilung von vorhandenen Verkehrsflächen statt Neubau und Erweiterungen. Mobilitätswende heißt für mich auch, die Nutzung von Verkehrsflächen zu diskutieren und neu zu definieren. So prüfen wir jetzt, Warnemünde autofrei zu machen. Besucher*innen müssen ihr Auto dann im Parkhaus abstellen.

Seit Corona fahren Menschen mehr Rad. Ist das in Rostock auch spürbar? Hat sich die Stadt z. B. mit Pop-Up-Infrastruktur angepasst?

Ja, seit Corona wird in Rostock deutlich mehr Rad gefahren. An einigen Zählstellen haben wir neue Allzeit-Rekorde gemessen, auch Fahrradläden haben sehr gut zu tun. Pop-Up-Bike-Lanes wurden bislang noch nicht umgesetzt, aber wir arbeiten an ähnlichen Lösungen. Im Sommer haben wir es Cafés ermöglicht, ihre Außengastronomie zu erweitern: Da, wo mal Autos geparkt haben, stehen jetzt Tische und Stühle und Menschen unterhalten sich. Man muss „Stadt“ neu denken – und das wollen wir ausbauen.

alle Themen anzeigen

Werde ADFC-Mitglied!

Unterstütze den ADFC und die Rad-Lobby, werde Mitglied und nutze exklusive Vorteile!

  • exklusive deutschlandweite Pannenhilfe
  • exklusives Mitgliedermagazin als E-Paper
  • Rechtsschutz und Haftpflichtversicherung
  • Vorteile bei vielen Kooperationspartnern
  • und vieles mehr

Dein Mitgliedsbeitrag macht den ADFC stark!

Zum Beitrittsformular

Verwandte Themen

Radgesetz Bayern auf der RadlNacht 2018

Ein Rad-Gesetz für Bayern

Im Vorfeld der Landtagswahl im Oktober 2018 fordert der ADFC Bayern „Ein Rad-Gesetz für Bayern!“ und dass die…

Fahrradstraße

Neues Straßenverkehrsrecht

Der ADFC hat jahrelang auf eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)…

Was ein Reifenwechsel ans Licht bringt

Einige hundert Kilometer sind auf dem Baumarkt-Fahrrad absolviert. Bislang schlägt es sich ganz ordentlich. Ein…

 Entnahme eines Pedelec-Akkus am Mountainbike

Akku-Pflege und Nutzung

Der Pedelec-Akku versorgt den Motor mit elektrischer Energie. Je länger er durchhält, desto länger hält auch der…

Musik hören und Rad fahren - was ist erlaubt?

Musikhören beim Radfahren

Seitens der Polizei heißt es oft, Radfahren mit Ohrhörern sei generell verboten. Das stimmt nicht. Musik zu hören ist…

Fahrradweichen finden sich leider häufig in deutschen Städten.

ADFC-Position: Radfahrstreifen in Mittellage („Fahrradweichen“)

Die meisten schweren Unfälle von Radfahrenden passieren an Knotenpunkten. Fahrrad-Infrastruktur in diesem Bereich muss…

Der ADFC-Bundesvorstand: Christoph Schmidt, Dr. Joachim Lohse, Amelie Döres, Frank Masurat, Christian Tänzler und Sarah Holczer (v.l.n.r.). Es fehlen Cathrin Cailliau und Reinhard Buschmann-Carl.

ADFC-Bundesvorstand für mehr Toleranz und Demokratie sowie gegen Diskriminierung

Der ADFC-Bundesvorstand hat sich klar gegen Diskriminierung ausgesprochen und setzt sich für mehr Tolerenz und…

Bernadette Felsch, Vorsitzende des ADFC Bayern und Beauftragte des Radentscheids Bayern.

Radentscheide wirken – kommunal und darüber hinaus!

Der Radentscheid Bayern wurde für unzulässig erklärt. Die Landesregierung hat schnell ein eigenes Radgesetz…

Arbeitswege per Rad zurücklegen

Versicherungsschutz auf dem Arbeitsweg

Auch wer für den Weg zur Arbeit nicht die kürzeste Strecke wählt, sondern eine längere, verkehrstechnisch günstigere,…

https://www.adfc.de/artikel/mobilitaetswende-heisst-verkehrsflaechen-neu-definieren

Bleiben Sie in Kontakt